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„Historia salutis“, „Heilsgeschichte“: dies erzählen die Wände des Mittelschiffes von Nischenwölbung der Apsis bis zur Rückfassade, in einer Aufeinanderfolge von Fresken-Szenen, die die bedeutendsten Ereignisse im Lebens der heiligen Jungfrau und von Jesus Christus darstellen. Unsere kurze Reise im Innern des Doms beginnt ebenda: im Mittelschiff, dessen malerische Verzierung einer wirksamen Katechese derart außerordentlichen Wertes entspricht, dass sie „Bibliapauperum“ (Armenbibel) genannt wird, die allen Gläubigen mit ihren Glaubenswahrheiten zu Herzen geht, indem sie Kunst und Schönheit sprechen lässt. Schon in den ersten beiden, den Pantokrator und Mariä Verkündigung darstellenden Fresken, die Boccaccio Boccaccino in der Kathedrale in den Jahren 1506-1507 angefertigt hat, begegnen wir, in einer perfekten theologischen Synthese, dem Beginn und der Vollendung der Heilsgeschichte: von Christi Menschwerdung bis zu seiner Wiederkunft als glorreicher Richter in der Erfüllung der Zeit, dargestellt in der Gestalt des Pantokrator, von leuchtender Herrlichkeit.

Mariä Verkündigung  (Boccaccio Boccaccino – 1507) 

Über dem Pfeilerbogen der Apsis

Pantokrator – (Boccaccio Boccaccino – 1506/1507)

Umgeben von den Symbolen der Evangelisten und von den Heiligen Schutzpatronen von Cremona (von links: hl. Marcellino; hl. Imerio; hl. Omobono; hl. Petrus Exorzist)

Eine Erhabenheit, die durch den „übernatürlichen“ Ausdruck einer fast byzantinischen Darstellung hervorgehoben wird, welche die menschliche Figur unseres Herrn idealisiert, indem sie ihn vor einen glänzenden goldenen Hintergrund stellt, in der Herrlichkeit der Heiligen und in der Fülle seiner Göttlichkeit, die ebenso in der großen Kreuzigung der Rückfassade gepriesen wird.

Derselbe Christus, den wir soeben auf dem Thron seiner Herrlichkeit gesehen haben, betrachten wir nun auf einem anderen Thron: die Richtstätte, von welcher er mit seinem Opfer die ganze Menschheit erlöst. Erniedrigt bis zum Tod am Kreuz, wird Er als Herr der Zeit und der Geschichte mit Barmherzigkeit und Gerechtigkeit richten. Gerade der Kreuzweg ist der Weg, auf dem wir zum ewigen Heil gelangen werden, wo wir dem “gerechten Richter” am Ende der Zeiten begegnen werden. Die mächtige und übermäßige Dimension dieser beiden Subjekte, des Pantokrator von Boccaccino und des Christus am Kreuz von Pordenone, scheinen fast, an den sich gegenüber liegenden äußersten Punkten der Kirche, die Nischenwölbung der Apsis und die Rückfassade, die Größe dieses Geheimnisses unterstreichen zu wollen in der unlösbaren Verknüpfung der von ihnen dargestellten Momente; Säulen, die all das tragen, was wir aufrichtig glauben.

Wenn man auf die Wände des Mittelschiffs schaut, erblickt man die Geschichten der hl. Jungfrau auf der Nordwand (vom Eingang her kommend links), welche die emblematischen Ereignisse im Leben der Muttergottes erzählen: Joachim und Anna, die Eltern von Maria, ihre Geburt und ihre Heirat mit Josef – Momente aus den apokryphen Evangelien – hin bis zur Verflechtung mit der Ankunft Christi in den Episoden der Geburt und der Kindheit Jesu; Werke, die von Boccaccio Boccaccino, Gian Francesco Bembo und Altobello Melone verwirklicht wurden.

 

Joachims Vision – Begegnung von Joachim und Anna bei der Porta Aurea  (Boccaccio Boccaccino 1514)

Die ersten beiden Fresken mit dem Zyklus über das Leben Jesu und der hl. Jungfrau. Erstes Feld, Nordseite, Mittelschiff.

 

Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern (der Pordenone – 1520)

Drittes Feld Südseite

Auf der Südwand Szenen aus der Passion, die vom Presbyterium bis zur Rückfassade die Ereignisse zeigen, welche auf dem Kalvarienberg enden: eine Aufeinanderfolge von Autoren wie Altobello Melone, Romanino und Pordenone – auserwählt unter den besten jener Zeit des ersten Viertels des sechzehnten Jahrhunderts -, die den Schmerz Dessen erzählen, der sich beim Letzten Abendmahl, bei der Verurteilung und am Kreuz für die ganze Menschheit aufgeopfert hat.

Das Pathos der Komposition des Pordenone in den drei letzten Feldern, die ihren Höhepunkt in der großen Kreuzigungsszene hat, ist sicherlich die wirksamste Art, diese qualvollen Momente darzustellen durch eine Ausdruckskraft, die den weisen Gebrauch der Farben mit einem kraftvollen Zug von außerordentlicher Dramatik verbindet, in der Art des Michelangelo

An der Rückfassade schließt sich der erzählerische Zyklus neben der Kreuzablegung – wiederum ein Werk des Pordenone – mit der Auferstehung: Er hat ja nicht die Verwesung im Grab erlebt, sondern „ist wirklich auferstanden und wird wiederkommen zu richten die Lebenden und die Toten“.

Die Auferstehung ist ein Werk des Bernardino Gatti, ein Autor, dem wir wieder in der großen Tafel von Mariä Aufnahme in den Himmel in der Apsis begegnen (der untere Bildteil ist unvollendet, da der Autor gestorben ist, denn es fehlen einige Apostelfiguren), an deren beiden Seiten zwei Episoden dargestellt sind: der Hauptmann zu Füssen Christi und der Einzug Jesu in Jerusalem – jeweils von Antonio und Bernardino Campi, Vertreter einer Familie hervorragender Künstler von Crema, die wir mit Giulio Campi in vielen anderen Werken in der Kathedrale wiederfinden werden.

Nachdem wir die mächtigen Bögen hinter uns gelassen haben, befinden wir uns in den Seitenschiffen und in den Transepten mit ihrem Reichtum an Altaren, die außerordentlich kostbare und signierte Werke bewahren, eben, wie schon gesagt, der Campi, aber auch des Genovesino, des Malosso e vieler Anderer, auch in den beiden Seitenkapellen des Allerheiligsten Sakraments und der Gottesmutter des Volkes; Schreine, die zwischen Stuckwerken und barockem Gold bewegende Schönheiten enthüllen.

Bild von Mariä Aufnahme in den Himmel

(Bernardino Gatti, gestorben vor Beendung des Werkes. Dieses wurde vollendet im Jahre 1579 von Giovanni Battista, genannt il Malasso)