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Rechts und links vom Hauptportal der Kathedrale empfangen uns vier Propheten mit altehrwürdigen Gesichtszügen, die uns erahnen lassen wie weit in der Vergangenheit man die Ursprünge dieses wunderschönen Tempels suchen muss. Ein Geheimnis, das uns die in der Sakristei eingemauerte Gedenktafel aufklären kann: “Gründungsstein“. Eine einem Meister der Werkstatt des Wiligelmo zuschreibbare Platte, gestützt von zwei Skulpturen, welche die Propheten Henoch und Elias darstellen, die – der Tradition gemäß – lebend entrückt wurden, und dadurch ein Zeichen der Unsterblichkeit für die Kathedrale selbst sind.

Die Gedenktafel trägt das Datum vom 26. August 1107 als Beginn der Bauarbeiten des Doms. Eine Baustelle, die zur Zeit eines vakanten Bischofssitzes und einer politischen Macht entstand, welche wahrscheinlich seit kurzem in den Händen der aufkommenden Stadtrepublik lag, und sofort zum Zeichen einer Pracht wurde, zu der dieses Bauwerk von Anfang an als religiöses Symbol der Gemeinschaft der Gläubigen und als Wahrzeichen des neuen Regimes und der Bürgerschaft selbst bestimmt war.

Die entscheidenden Daten, welche den Verlauf der Arbeiten kennzeichnen, sind drei: 1107, 1117 und 1129. Im Jahr 1107 beginnen die Bauarbeiten – wie schon gesagt –, wahrscheinlich im Gebiet der Apsis und des Altarraumes, und errichten ein Gebäude mit drei abwechselnd von Kompositkapitellen und Vierpaßpilastern skandierten Kirchenschiffen. Diese Arbeiten werden leider zehn Jahre später unterbrochen durch ein verheerendes Erdbeben in der ganzen Poebene, das – glücklicherweise nicht tödliche – Senkungen und Einstürze verursacht in der Struktur, die inzwischen sehr wahrscheinlich bis zum Feld gelangt war, wo sich der Hauptkörper und die – schon angelegten – Transepten kreuzen, und oben, an der hohen gefensterten Mauer (cleristorio). Die Wiederauffindung im Jahre 1129 unter den Trümmern der Reliquien des hl. Imerius, die 965 auf Anordnung des Bischofs Liutprando nach Cremona gelangt sind, geben den Arbeiten neuen Schwung bis zu ihrem Abschluss ungefähr in der Hälfte des Jahrhunderts; sie waren mit Sicherheit beendet, als im Jahre 1167 der neue Bauplatz für die Errichtung des Baptisteriums entstand.

Unter den bedeutenden Eingriffen nach dem Erdbeben können die Errichtung der großen Mauern der – schon in der vorherigen Phase angelegten – Transepten und die Abstützung sowohl der schon fertigen Pfeiler als der Struktur des östlichen Gebiets der Apside durch eine Verkleidung mit Steinplatten als eine Art “Schalen” – Verstärkung.

Man kann mit Sicherheit sagen, dass die antike und ursprüngliche architektonische Anlage in Form eines lateinischen Kreuzes mit einem Langkörper, der mit drei abwechselnd von Säulen und Pilastern skandierten Kirchenschiffen unterteilt ist, mit einem erhöhten Altarraum über einer Krypta (die anfänglich grösser war und sich wahrscheinlich bis zu den Seitenschiffen erstreckte) die Jahrhunderte bis heute überdauert hat und seinen ursprünglichen Charakter beibehält.

Von der Anlage der dekorativen Skulpturen der ersten Lebensjahre unserer Kathedrale können wir heute noch einige Zeugnisse bewundern. Sehr bedeutend ist der Beitrag um 1230 der vom Meister Niccolò geleiteten Werkstatt, der bis zur Hälfte des Jahrhunderts in den Bauplätzen der Kathedralen von Piacenza, Ferrara und Verona wirkte und auch einen großen Einfluss auf zahlreiche anonyme Meister hatte, denen verschiedene Werke zuzuschreiben sind, von denen sich viele noch heute auf der Hauptfassade und auf der Fassade des nördlichen Transepts, und somit oft nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz, befinden.

Die Steinverkleidung im Grauton, die noch im unteren Teil sichtbar und teilweise vom Portikus der Renaissance verdeckt ist, gehört zur primitiven Hauptfassade (nach dem Erdbeben); die Verkleidung geht bis zum oberen Ende der beiden Rundfenster aus dem 15. Jahrhundert, und unterscheidet sich in Farbe und Format von den oberen Teilen in weißem und rosafarbenen Marmor.

Niccolò ist das große Hauptportal zuzuschreiben, dessen Feierlichkeit elegant geschmückt ist durch die Abwechslung von Kränzen und platten Elementen der weiten Ausschmiegungen, die von zwei kleinen freien Halbsäulen bereichert sind, welche von zwei Telamonen an den Seiten der Türflügel gestützt werden. Eine Ausnahme stellen die vier Skulpturen von Propheten dar, die das Portal in gewissem Sinne zum „wahren Tor des Glaubens“ machen und von einem anonymen „Meister der Propheten“ stammen, der vor dem Erdbeben von 1117 aktiv war. Niccolò hat sie selbst hier aufgestellt: auf der linken Seite Jeremias und Jesaia, und rechts Daniel und Ezechiel. Es handelt sich um Skulpturen von großer Raffinesse, die mit ihren Schriftrollen, die später mit Zitaten vervollständigt wurden, welche auf Texte der Propheten, aber auch auf das Thema der Menschwerdung und des ewigen Heils zurückgehen, wirklich die Gläubigen empfangen und sie in die Kontemplation Gottes mithilfe der Schönheiten des Domes einführen.

Am Anfang befand sich vor dem Portal nicht die Vorhalle, wie wir sie jetzt sehen, sondern eine Art „Abvierung“, „eine flache Vorhalle“, die an die Formen eine Triumphbogens erinnern konnte. Aus älterer Zeit sind auch die Symbole der Evangelisten, von denen wir ein Paar über der Reihe von Kapitellen der Ausschmiegungen wiederfinden (der Stier – Lukas – und der Löwe – Markus, wenn auch in umgekehrter Stellung), während der Engel – Matthäus – und der Adler – Johannes – jetzt oberhalb der Archivolte eingemauert sind.

 

 

Von außerordentlichem Wert sind einige Gruppen von Skulpturen, die man nicht schweigend übergehen kann: links vom Portal unter dem Bogengang sind die Platten eingemauert, die man Meistern aus dem Kreis des Wiligelmo zuschreiben kann, mit Szenen aus dem Buch Genesis (in umgekehrter Stellung: links der Austrieb aus dem Paradies und, rechts, die Erbsünde), über denen sich ein von Tieren und kleinen Figuren belebter Spross befindet; Teil eines größeren Zyklus über das Thema der Schöpfung. Auf der Nordseite sieht man zwei Friesen wiederverwendet im Säulenbalken des Eingangs des Transept, auch aus der ersten Phase, nicht zeitgenössisch: ein segnender Christus in einer Mandorla und neben ihm die Apostel auf der Vorderseite – wahrscheinlich einem Meister zuzuschreiben, welcher der Ausdrucksform der Propheten des Portals nahe steht – und ein Pflanzenspross, der auf der Unterseite von monströsen Figuren belebt ist, nach dem Stil des Niccolò.

Gegen Ende des 12. Jahrhunderts (1190 oder 1196) findet die feierliche Weihe der Kathedrale statt durch den Bischof Sicardo, mit der Überführung der Reliquien des heiligen Imerio. Der elegante Zyklus der Monate, der während des Episkopat von Sicardo (1185-1215) ausgeführt wurde, wahrscheinlich als Verzierung der alten „flachen Vorhalle“, ist jetzt an der vorspringenden Front der Vorhalle eingemauert und wird unterbrochen von einer senkrechten Skulptur aus späterer Zeit, die einen Bischof darstellt. Ein hervorragendes Werk, das einem Meister zugeschrieben wird, der Benedetto Antelami nahe steht, welcher in jenen Jahren in Parma wirkte: Man kann dem Zyklus von Cremona den Zyklus der Monate im Baptisterium von Parma annähern, obwohl dieser komplexer ist. Die Betrachtung beginnt rechts beim Frühling – die einzige Saison, die dargestellt ist – und beim Monat März (das Jahr begann tatsächlich am 25. März, Tag der Menschwerdung Christi, auf dem damals in Cremona benützten Kalender „ab Incarnatione“) und jeder Monat ist durch eine Arbeit dargestellt und vom entsprechenden Tierkreiszeichen begleitet, von einigen Ausnahmen abgesehen, wobei sehr geachtet wird auf eine realistische Beziehung zur Welt der Handwerke und des bäuerlichen Lebens, die für die dargestellten Monate charakteristisch sind.

Im darauffolgenden Jahrhundert wirken in Cremona auch Meister aus dem Gebiet von Como und aus dem Tessin, die „Maestri campionesi“, die vor allem in der Höhe arbeiteten, in den Transepten und an den Fassaden der Kathedrale. Die Hauptfassade wurde mit einer Verkleidung aus weißem und rosafarbenem Marmor vervollständigt; rhythmisiert durch zwei Reihen von Galerien war sie ursprünglich niedriger, wie die noch sichtbaren Spuren seitlich der Rosette bezeugen, welche dem Meister Jacopo Porrata aus Como im Jahre 1274 zuzuschreiben ist. Die jetzige Rosette, Erweiterung einer vorhergehenden Öffnung – wie aus einigen Siegeln der Gemeinde, die den Dom in verschiedenen Momenten darstellen und somit die Entwicklungsphasen bestätigen – hat 26 kleine Säulen, die aus einer zentralen Krone entstehen und durch kleine Bögen verbunden sind, die sich überschneiden und zeigt eine weite, von abwechselnden Kränzen und Pflanzensprossen dekorierte Ausschmiegung, wobei der äußerste Spross auch von kleinen Tieren belebt ist.

Komplexer ist die Chronik der flachen Vorhalle, die auf zwei säulentragende Löwen gestützt ist, von der man zunächst die untere Seite entstehen sieht – wie auch die oben genannten Gemeinde-Siegel bezeugen -, die vermutlich gleichzeitig mit dem Beitrag des Porrata an der Rosette (1274) entsteht und von der wir auch einen Anhaltspunkt haben in einem dreibogigen Fenster, das anfangs sichtbar war über der Struktur und dann vom darauffolgenden Eingriff verdeckt wurde. Die obere Reihe, die aus einer Loggia auf drei Arkaden mit Kreuzgewölben besteht, welche die Verzierung mit kleinen verflochtenen Bögen an der Basis der Galerien unterbricht, dürfte aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammen. Dem Beitrag der Maestri campionesi kann man auch die Wiederanbringung verschiedenartiger Zier-Skulpturen eben in der oberen Loggia der Vorhalle zuschreiben, wie die Löwen als Stütze der verschieden großen Säulen aus unterschiedlichem Material; die über den Bögen eingemauerten Symbole der Evangelisten; die die den Bischof darstellende Skulptur – man vermutet, dass es sich um Sicardo handelt -, die in senkrechter Position aufgestellt ist und den Zyklus der Monate unterbricht. Ebenfalls von den Maestri campionesi sind die säulentragenden Löwen der Vorhalle aus den Jahren 1282-1283, die in der Vergangenheit, wenn auch nicht mit absoluter Sicherheit, Giambono von Bissone zugeschrieben wurden, welcher auch der Autor der Löwen des Doms von Parma ist.

Aus dem Ende des 12. Jahrhunderts (1288) stammt auch der Abschluss der Arbeiten an der Nordfassade, an der Giacomo Camperio und Bartolino Bragherio gearbeitet haben. In eindeutig gotischem Stil sieht man sie senkrecht skandiert von zwei Lisenen, artikuliert auf verschiedenen Ebenen mit Öffnungen aus Drillingsfenstern, in der Mitte ein Vierbogenfenster, Rosetten, die obere kleine Loggia und vervollständigt mit einer einfachen Vorhalle auf derselben Höhe, die auf säulentragende Löwen gestützt ist.
Nach Abschluss des oberen nördlichen Teils des Transepts (der südliche Teil wurde erst im folgenden Jahrhundert beendet) erreichte man auch die jetzige Höhe der Strukturen. Zu Beginn musste nämlich derselbe Transept, so wie auch der Längskörper, ziemlich niedriger sein. Der Beitrag der Maestri campionesi hat somit nicht nur eine Erneuerung des dekorativen Aspekts herbeigeführt, sondern auch eine strukturale Änderung durch die Erhöhung der gefensterten Mauern und im Innern die Realisierung in den Transepten und im Hauptschiff von hohen Kreuzgewölben (mit Sicherheit nach der Öffnung der großen Rosette an der Fassade, wie man an der größeren Höhe des Gewölbes der ersten westlichen Spannweite erkennen kann) anstelle des Holzdachwerkes. Außen wurden sodann die kleinen Bogengänge auf Steinsäulchen, welche die oberen Profile der Mauern und die Spitzen der Apsis kennzeichnen, erstellt.
Während wir im 13. Jahrhundert die Bauphasen mit der Vervollständigung des südlichen Transepts, der 1342 mit seiner Fassade fertiggestellt war, die schlichter ist als die nördliche, ohne Vorhalle und mit vereinfachten Verzierungen, als beendet erklären können, stehen die Dinge bei der Anlage der Skulpturen und Verzierungen anders.

Gerade von Anfang des 13. Jahrhunderts sind nämlich die außerordentlichen Statuen, die sich jetzt in der Loggia der Vorhalle der Fassade befinden: die Muttergottes mit Kind, der heilige Omobono und der heilige Imerio; ein Werk des Marco Romano, ein hervorragender reisender Meister mit toskanischer Ausbildung, der im Gebiet von Siena und in Norditalien wirkte. Möglicherweise ist der jetzige Standort nicht der ursprüngliche, denn der Marmor ist auf der Rückseite dünner und ohne Feinbearbeitung, was eine hypothetische Stellung in Nischen vermuten lässt. Leider verfügen wir aber über keine sicheren Notizen weder betreffs dieser vorhergehenden Situationen noch über ihre Umstellung in die Loggia der Vorhalle.

Statuen, deren auserlesene Ausführungstechnik es vermochte, die Gesichtszüge der drei Subjekte auf natürliche Weise darzustellen: die Sanftheit der marianischen Gruppe, die ekstatische Gleichmütigkeit des Bischofs Imerio, die ausdrucksvolle Schlichtheit des hl. Omobono. Ursprünglich vermutlich farbig, da Spuren von Pigmenten entdeckt wurden, bewegen sie heute in der Unschuld ihrer Erhabenheit: als echte Perlen des dekorativen Panoramas der Kathedrale, stellen sie einen der Gipfel der künstlerischen Qualität im Dom dar, und man kann sie wirklich als einen idealen Anfangspunkt der Gotik von Cremona definieren.

Man muss das Ende des 15. Jahrhunderts und den Beginn des 16. Jahrhunderts abwarten bis die Fassade jene Gestalt erhält, die wir heute noch bewundern können. Dank der Erhöhung der neuen, mit weißem und rosafarbenem Marmor verkleideten Attika – ein Werk, das zunächst im Jahre 1491 Alberto Maffioli aus Carrara anvertraut war (dessen Beitrag keine bedeutenden Spuren hinterlassen hat) und dann von Giovan Pietro aus Rho zwischen 1498 und 1507 vollendet wurde (der auch die vier Statuen in den Nischen des heiligen Marcellino, der hl. Apostel Petrus und Paulus, und des hl. Petrus Exorzist, geschaffen hat) – wird die jetzige Höhe erreicht, die in eleganter Weise durch die beiden seitlichen Voluten, welche am Ende in den Medaillons vier Büsten der Propheten beherbergen, verschönert ist. Ebenfalls Giovan Pietro da Rho verdanken wir den Erzengel Gabriel und die Jungfrau der Verkündigung in den beiden Medaillons seitlich der Nischen der Attika.

Unter der Leitung von Lorenzo Trotti entstand zwischen dem Ende des 15. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der steinerne Portikus, der schon vom Maffioli geplant gewesen war, um einen vorherigen aus Holz zu ersetzen, der auch bis zum Baptisterium hin verlief.

Die Statuen von Giorgio und Antonio Ferretti aus dem 18. Jahrhundert, welche den Balkon zieren, stellen von links die Heiligen Petrus von Verona, Agata, Eusebio, Barnabas, Teresa und Franziskus dar, die sich mit Engeln abwechseln.

Stein um Stein haben also ganze Generationen zur Errichtung und zur Dekorierung dieses außerordentlichen Tempels beigetragen, wobei sie stets das beste Resultat erreichen und den höchsten Grad der eigenen Sensibilität ausdrücken wollten; ein Monument das man dank seiner Feierlichkeit und Schönheit wirklich einen kostbaren Schrein des Glaubens nennen kann, der auch mit seinen mächtigen Mauern zelebriert.